Decoration Gymnasion Offenbach e.V. 1983

Orientierungslauf und mehr in Offenbach

Upside Down-Under

Orientierungslauf in Australien

Es benötigt wohl einer genaueren Nachforschung in der Vereinsgeschichte, aber nach momentanem Kenntnisstand ist zum ersten Mal ein GOler bei einem Orientierungslauf auf der südlichen Erdhalbkugel gestartet. Dies qualifiziert voraussichtlich auch zur OL-Teilnahme mit der weitesten Anreise zu einem Wettkampf.

Strikte Kontrollen bei der Einreise

Aus Anlaß einer privaten Urlaubsreise nach Südaustralien, nahe der kleinen Großstadt Adelaide, nahm der aktive OLer Birger Holtermann sicherheitshalber auch die Orientierungsausrüstung mit in das Reisegepäck. Eine vorab durchgeführte Recherche im Internet ergab, daß Orientierungslauf auch in dieser Gegend von mehreren Vereinen betrieben wird. Leider neigt sich Mitte Oktober, wenn es auf der Südhalbkugel so langsam Sommer wird, die “bush season” ihrem Ende entgegen. Im australischen Sommer, von November bis März, ist es für Lauf-Aktivitäten im Freien in der Regel zu heiß und die nicht immer ungefährlichen Schlangen kommen aus ihren Winterquartieren heraus.

Bei der Einreise in Australien ist eine Reihe von Fragen zu beantworten, denn das Land ist sehr strikt besorgt, keine fremde Erde, Pflanzenteile oder -samen, hölzerne Gegenstände und eine eine längere Liste von weiteren Gegenständen eindringen zu lassen. Um keinen Verdacht zu erwecken, weil alle Fragen mit “nein” beantwortet wurden, landete in Anbetracht der mitgeführten OL-Schuhe und einer kleinen, hölzernen Geschenkbox zwei Kreuzchen auf dem Fragebogen bei “Ja”.

Nach der üblichen Paßkontrolle folgten dann mehrere hochnotpeinliche Befragungen zu diesem Themenkomplex. Mehrere Grenzbeamte zeigten sich über die mitgebrachten Gegenstände sehr besorgt; stellten Fragen, markierten die spezischen Punkte des Fragebogens teils in grün, teils in rot. Letztendlich führte das dazu, in die Quarantäne-Schlange bei der Zollkontrolle eingereiht zu werden. Dummerweise stand hier die Mehrzahl aller Ankommenden aus diesem Flug. Der Koffer war als einer der ersten auf dem Gepäckband erschienen; die Abfertigung des deklarierten Gefahrgutes nahm nochmals gut eineinhalb Stunden in Anspruch.

Nach den vielen Befragungen wollte dann ein Kontrolleur tatsächlich die Holzschachtel und die Sportschuhe sehen. Da der Koffer mit den Utensilien für mehrere Wochen und Sportarten, den Mitbringseln und allen sonstigen Gegenständen sich nur mit Mühe und ausdauerndem Draufsitzen schließen ließ, war ein Öffnen bei der Grenzkontrolle eigentlich die letzte einkalkulierte Option. Dennoch gestaltete sich dies unproblematischer als zuvor angenommen. Anstelle der gut verpackten, von den letzten Einsätzen und ihrem Lebensalter entsprechend garnierten OL-Schuhe fielen allerdings zunächst die für sauber erachteten, normalen Straßen-Jogging-Schuhe aus dem Koffer und dem Kontrolleur in die Hände. Er begann, sie umfassend zu betrachten und wurde im Sohlenprofil tatsächlich fündig: ein etwa stecknadelkopfgroßes Stück aus einigen Sandkörnern steckte zwischen zwei Lamellen fest. Diensteifrig bot er daraufhin an, diese zu reinigen und in einem getrennten Plastikbeutel auszuhändigen. Aufgrund dieser Umstände habe ich daraufhin verzichtet, auf die noch im Koffer befindlichen OL-Schuhe hinzuweisen - das hätte wohl zwischen einem mehrtägigen Quarantäneaufenthalt oder einem sofortigen Landesverweis oder zumindest eine Konfiszierung der Schuhe zu allen Konsequenzen führen können.

Damit war die Grenzkontrolle aber noch nicht fertig; galt es doch, sich in einer weiteren Schlange einzureihen, bei der ein Bio-Such-Hund nochmals alle Gepäckstücke von allen Seiten beschnüffelte. Plastiktüten scheinen eine gute Geruchsisolation zu bieten, oder das mir eigene Benutzungs-Odeur schreckte den Biodetektor ab, jedenfalls wurde er nicht fündig. So stand den Orientierungserlebnissen erst einmal nichts mehr im Wege; außer einer schon etwas in Sorge geratenen Verwandtschaft in der Empfangshalle, weil seit der ohnehin verspäteten Landung doch schon 2 Stunden vergangen waren.

Nicht exotisch

BJH in Australien (60.0KB)

Beim OL in Australien - erstes Training

Die südaustralischen Orientierer pflegen die bereits oben erwähnte Webseite mit ihrem Terminplan, der erfreulicherweise sehr strikt eingehalten wird. Noch aus alten Zeiten, als Orientierungslauf vorwiegend vom Militär betrieben wurde, gibt es einen Traditionstermin von einem Mittwoch im (Winter-) Monat, also etwa zwischen April und Oktober, an dem ein auserkorener Freiwilliger (ein “Training Manager”) einen Lauf aussteckt. Als Örtlichkeit war “Kuitpo Forest” (ausgesprochen etwa “kwaitpoh forest”) festgelegt; etwa eine gute Autostunde südöstlich von der City Adelaides gelegen. Nach australischen Größenverhältnissen also quasi vor der Haustür.

Da Orientierungsläufer weltweit ein sehr nettes Völkchen und eine ziemlich eingeschworene Gemeinschaft sind (wie in fast allen Fällen, wenn sich eine abgegrenzte Gruppe einer abstrusen Beschäftigung hingibt), organisierte meine bisherige Mail-Ansprechpartnerin eine Mitfahrgelegenheit durch einen in der Nähe wohnenden Mitteilnehmer (nach den bereits zitierten australischen EntfernungsMaßstäben). Das ersparte meinem Cousin, der etwa 20 Autominuten vom Veranstaltungsort entfernt wohnt, etwa drei Stunden Fahrt, mich am anderen Ende der Stadt abzuholen.

Der erste Eindruck im Wettkampfgebiet war eher europäisch. Der bisher überdurchschnittlich nasse und kalte Winter sorgte für eine ungewohnt grüne Landschaft, Ohnehin sieht es in dieser Gegend rund um die von Deutschen gegründete Siedlung Hahndorf aus wie in einer deutschen Mittelgebirgslandschaft, wenn man mal von den Hauptgewächsen Eukalyptusbäume und Pinien absieht.

Auch das Laufgelände selbst, ein Pinienwald, ähnelte in Aufbau und Konsistenz sehr unseren heimatlichen Wäldern. Ein dichtes, relativ regelmäßiges Wegenetz ließ heimatliche Gefühle aufkommen. Die Orientierungsschwierigkeit des Trainings war als “hard” (schwierig) angekündigt; sollte aber erfahrene Orientierer nicht vor große Probleme stellen. Es gab nur eine Bahn für alle Teilnehmenden, aber hierbei handelte es sich fast ausnahmslos um altgediente Senioren - die jungen, dynamischen Sportler mußten an einem Werktag sich um ihren Broterwerb kümmern.

… oder doch?

Känguruh (25.9KB)

Exotische Zuschauer beim OL

Mit Stempelzangen und freier Startzeit, per Hand in einer Teilnehmerliste eingetragen, ging es auf die Strecke. Mein Cousin, der erst einen Einführungs-OL mit einfacher Streckenführung absolviert hatte, traute sich noch nicht wirklich selbständig auf die als schwer angekündigte Bahn, daher starteten wir zusammen. Auch hier wieder Australien-typische Vorsichtsmaßnahmen: um das Verbreiten von pflanzenschädigenden Pilzen zu verhindern, mußten die OL-Schuhe vor und nach dem Lauf mit bereitgestellten Mitteln desinfiziert werden. Zum Glück hatte ich sie am Vortag noch gründlich gereinigt – wahrscheinlich hätten OL-Schuhe mit orignal deutschen Sommer-Schlamm-Verkrustungen beim Ausrichter einen mittleren Herzinfarkt und Schnappatmung ausgelöst.

Die Bahn selbst war dann jedoch nicht allzu schwierig, auch wenn die alle Posten bemüht von Wegen entfernt lagen. Aber ähnlich zu unseren heimischen Karten heißt dies auch lediglich, daß es mal 100 oder 200 Meter von einem Weg entfernt ist. Einziges Manko waren zahlreiche frisch umgestürzte Bäume und viel Bruchholz, welches durch ungewöhnlich heftige Stürme und Unwetter Ende September entstanden ist. Dadurch waren die Waldbestände durchweg schlechter zu belaufen als es das Kartenbild ankündigte.

So kamen wir als Team relativ gut von einem Posten zum anderen, vegetationsbedingt nicht immer auf der geplanten Idealroute. Und schon am dritten Posten wurde es dann doch noch landestypisch: das erste Känguruh hüpfte emport von dannen, als die Störenfriede auf der Jagd nach dem Postenschirm durch das Unterholz brachen. Unterwegs waren dann noch zwei weitere zu sichten. Es gibt also doch lebende Känguruhs in der freien Wildbahn Australiens. Vor 20 Jahren, selbst bei einer Reise zum Uluru (Ayers Rock) waren während der ganzen Zeit nur tote Exemplare auf dem Highway zu finden. Damals mußte ich extra in den Zoo und in die Reservate auf Kangaroo Island fahren, um lebendige Tiere zu sehen.

Und mehr…

Karte Kuitpo Forest HQ (70.9KB)

Karte von Kuitpo Forest Headquarters

Am kommenden Samstag gibt es das offiziell letzte “Bush Event” für diese Saison, einen Mountainbike-OL (MTBO, südaustralische Meisterschaften) an derselben Stelle. Weil auch normale Läufer teilnehmen können, treten wir wieder an. Ein Bericht wird folgen!